Abmahnungen dienen zur Erhaltung des lauteren Wettbewerbs. Sie sind das Mittel der Wahl, um unlautere Wettbewerbshandlungen rasch zu beenden und die Beanspruchung der Gerichte zu vermeiden.
Dass der zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs Berechtigte den Mitbewerber vor der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens abmahnen soll, ist in § 13 UWG gesetzlich verankert.
Leider gibt es aber auch unseriöses Abmahnwesen, insbesondere im Onlinehandel.
Diesem ist der Gesetzgeber unter anderem durch Änderungen des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb entgegengetreten.
Wir stellen die Änderungen vor.
Inhalt
- Worum geht es?
- Wer darf noch abmahnen?
- Der Abgemahnte bekommt Gegenansprüche
- Neue inhaltliche Anforderungen an eine Abmahnung
- Anpassungen im Bereich der Vertragsstrafe
- Beschränkung des Aufwendungsersatzes des Abmahnenden
- Einschränkung des „fliegenden Gerichtsstandes“
- Was bedeuten die Änderungen für Sieh?
- Fazit
1. Worum geht es?
Der Gesetzgeber hat bereits im Jahr 2013 mit dem Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken neue Regelungen geschaffen, mit denen missbräuchliche Maschen im Rechtsverkehr eingedämmt werden sollten. Dazu zählten Maßnahmen gegen Inkassounternehmen, Telefonwerbung und die Abmahnindustrie.
Gerade im Bereich der Abmahnindustrie haben die Änderung aus dem Jahr 2013 nicht die erhoffte Wirkung erzielt. Abmahnungen dienen eigentlich dem Zweck, schnell und kostengünstig Unterlassungsansprüche durchzusetzen. So lassen sich lange Gerichtsverfahren und die damit verbundenen Mehrkosten vermeiden.
Allerdings werden Abmahnungen weiterhin dazu missbraucht, Einnahmen durch Gebühren und Vertragsstrafen zu generieren. Daraus hat sich eine Geschäftspraxis entwickelt. Unseriöse Geschäftsleute und Abmahnvereine haben sich darauf spezialisiert, gezielt nach angreifbaren Handlungen im Internet zu suchen und diese abzumahnen.
Auf diese missbräuchliche Praxis hat der Gesetzgeber nun mit dem Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs reagiert, das im Dezember 2020 in Kraft getreten ist. Weitere Änderungen gelten ab Dezember 2021. Es handelt sich nicht um ein völlig neues Gesetz, sondern um Anpassungen in bereits bestehenden Gesetzen, wie dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).
2. Wer darf noch abmahnen?
Bisher darf jeder Unternehmer Mitbewerber abmahnen. Dies wird zukünftig eingeschränkt. Ab Dezember 2021 müssen abmahnende Unternehmer regelmäßig und in nicht unerheblichem Maß am Marktgeschehen teilnehmen.
Dadurch werden Scheinmitbewerber herausgefiltert, die tatsächlich gar kein konkurrierendes Gewerbe betreiben, sondern nur gegründet wurden, um als Mitbewerber abmahnen zu dürfen. Wann genau die vorgenannte Schwelle erreicht ist, müssen erst noch Gerichte entscheiden. Die Gesetzesbegründung gibt den Hinweis, dass der Geschäftsumfang umso größer sein muss, je mehr Abmahnungen der Mitbewerber ausspricht.
Außerdem müssen Verbände (z.B. Abmahnvereine) zukünftig auf einer Liste beim Bundesamt für Justiz eingetragen sein, um Abmahnungen aussprechen zu dürfen. Dazu müssen auch diese eine gewisse Größe erreichen.
Mit diesen Anpassungen soll der Kreis der Abmahnberechtigten verkleinert werden. Gerade bei Abmahnungen durch Mitbewerber besteht bisher großes Missbrauchspotenzial. Ob die Änderungen des UWG dies zukünftig verhindern werden, ist noch nicht absehbar.
Achtung: Diese Änderungen sind noch nicht in Kraft getreten. Sie gelten erst ab Dezember 2021.
3. Der Abgemahnte bekommt Gegenansprüche
Wer abgemahnt wird, ist auf den Rat eines erfahrenen Rechtsanwalts angewiesen. Früher blieben Betroffene auf diesen Kosten meist sitzen – selbst wenn die Abmahnung unberechtigt oder gar missbräuchlich war. Das soll sich nun ändern.
Gemäß §13 Abs. 5 UWG können Sie Ersatz Ihrer Rechtsanwaltskosten und sonstiger Aufwendungen verlangen, wenn Sie unberechtigt abgemahnt wurden. Daher lohnt es sich nun noch mehr, gegen unseriöse Abmahnversuche rechtlich vorzugehen.
Die Geltendmachung dieses Anspruchs hält allerdings einige Hürden bereit. So werden sich die Parteien oft darüber streiten, ob die Abmahnung tatsächlich unberechtigt war. Selbst wenn letzteres der Fall sein sollte, besteht der Anspruch nicht automatisch.
War für den Abmahnenden nicht erkennbar, dass die Abmahnung unberechtigt sein würde, muss er die Rechtsanwaltskosten nicht erstatten.
Die Anspruchshöhe ist auf den Betrag begrenzt, den der Abmahnende selbst als Aufwendungsersatz (unberechtigt) erstattet verlangt.
Der Gesetzgeber gibt Ihnen allerdings einen weiteren Anspruch an die Hand. Liegt nicht nur eine unberechtigte, sondern auch eine missbräuchliche Abmahnung vor, können Sie gem. § 8c Abs. 3 UWG Ihre Anwaltskosten erstattet verlangen.
Der Anspruch ist bloß auf die „erforderlichen“Kosten begrenzt und damit umfangreicher als der o.g. Anspruch.
Schwierigkeiten kann die Darlegung bereiten, dass ein Fall von Missbrauch vorliegt. § 8c Abs. 2 UWG bestimmt vergleichsweise detailliert, wann von einer missbräuchlichen Abmahnung auszugehen ist.
4. Neue inhaltliche Anforderungen an eine Abmahnung
Wie eine Abmahnung inhaltlich aussehen muss, war bisher nur im Urheberrecht geregelt. Auch dies hat sich geändert. In §13 Abs. 2 UWG sind nun zwingende inhaltliche Vorgaben einer Abmahnung im Wettbewerbsrecht geregelt. Dazu zählen beispielsweise:
- Name und Firma des Abmahnenden
- Angaben zur Anspruchsberechtigung, also warum der Abmahnende Sie abmahnen darf. Mitbewerber müssen Angaben dazu machen, inwieweit sie in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich Waren oder Dienstleistungen vertreiben oder nachfragen.
- Wird ein Aufwendungsersatzanspruch geltend gemacht und wenn ja, in welcher Höhe?
Welche Rechte sollen Sie verletzt haben? Hier sind die relevanten Umstände darzulegen.
Eine Abmahnung muss klar und verständlich formuliert sein.
Ist dies nicht der Fall oder erfüllt die Abmahnung nicht den zwingenden Inhalt, können Sie den oben genannten Aufwendungsersatzanspruch aus § 13 Abs. 5 UWG geltend machen.
5. Anpassungen im Bereich der Vertragsstrafe
Abmahnungen beinhalten regelmäßig die Aufforderung, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Der Abgemahnte soll dann zudem eine Vertragsstrafe für den Fall zu versprechen, dass er sich nicht an seine Unterlassungserklärung hält. So kann er vermeiden, dass es zu einem Gerichtsverfahren kommt.
Abmahnende dürfen nach dem neuen §13a Abs. 1 UWG nur eine angemessene Vertragsstrafe festlegen. Dies entsprach bereits der Rechtsprechung, wurde nun aber ausdrücklich ins Gesetz aufgenommen. Folgende Kriterien sind zu berücksichtigen:
- Art, Ausmaß und Folgen des Rechtsverstoßes
- Haben Sie den Rechtsverstoß verschuldet und falls ja, wie schwer wiegt Ihr Verschulden?
- Wie sind Ihre wirtschaftlichen Umstände und wie groß ist Ihr Anteil am Wettbewerb?
- Welches wirtschaftliche Interesse haben Sie im Bereich Ihrer Rechtsverstöße?[PB1]
Neu und wichtig: Beschäftigen Sie weniger als 100 Mitarbeiter, ist eine Vertragsstrafe bei erstmaliger Abmahnung wegen Verstößen gegen Informations- und Datenschutzpflichten ausgeschlossen.
Außerdem sind Vertragsstrafen in diesen Kleinbetrieben regelmäßig auf EUR 1.000 beschränkt. Voraussetzung für diese Begrenzung ist, dass Ihr Verstoß die Interessen von Verbrauchern, Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern nur unerheblich beeinträchtigt. Diese Grenzen ist offenkundig schwer zu bestimmen.
Unangemessen hohe Vertragsstrafen werden im Übrigen auf eine angemessene Höhe herabgesetzt. Außerdem liegt in diesem Fall eine missbräuchliche Annahme nahe. Sie können also nach § 8c Abs. 3 UWG Ersatz Ihrer Anwaltskosten verlangen.
6. Beschränkung des Aufwendungsersatzes des Abmahnenden
Werden Sie abgemahnt, ist dies für den Abmahnenden selbst auch mit Kosten verbunden, z.B. weil er zur Prüfung der Abmahnvoraussetzungen einen Rechtsanwalt hinzuziehen musste. Diese Kosten konnten bisher im Regelfall von Ihnen zurückverlangt werden.
Das gilt allerdings nur, wenn die Abmahnung auch berechtigt ist. Bevor Sie zahlen, sollten Sie dies überprüfen lassen.
Grundsätzlich bleibt es dabei, dass Sie Aufwendungsersatz schulden, wenn Sie zu Recht abgemahnt wurden. In einigen Bereichen hat der Gesetzgeber diesen Anspruch des Abmahnenden aber ausgeschlossen. Aufwendungsersatz kann von Ihnen nicht verlangt werden
- bei Verstößen gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten im Internet/digitalen Bereich (z.B. Angaben im Impressum, Widerrufsbelehrung, Informationen nach § 312d BGB im Onlinehandel).
- bei Verstößen gegen die Datenschutz-Grundverordnung sowie das Bundesdatenschutzgesetz, sofern Sie ein Unternehmen oder einen gewerblich tätigen Verein mit in der Regel weniger als 250 Mitarbeitern betreiben.
Achtung: Diese Einschränkung gilt nur, wenn ein Mitbewerber abmahnt. Handelt z.B. ein Abmahnverein, kann dieser weiterhin Aufwendungsersatz verlangen.
7. Einschränkung des „fliegenden Gerichtsstands“
Grundsätzlich gilt der Gerichtsstand des (Wohn)Sitzes, also bei Gerichten, die in Ihrer Nähe des Beklagten liegen. Bei Rechtsverletzungen im Internet, konnt der abgemahnte Mitbewerber meist jedoch auch an jedem anderen Ort in Deutschland verklagt werden.
Diese Praxis hat der Gesetzgeber nun eingedämmt und den „fliegenden Gerichtsstand“ im Bereich des UWG weitgehend abgeschafft. Ansprüche nach dem UWG können jetzt nur noch an dem Gericht des allgemeinen Gerichtsstandes geltend gemacht werden, also am Gericht des (Wohn)Sitzes..
8. Was bedeuten die Änderungen für Sie?
Seit der Gesetzesänderung haften Sie, wenn Sie einen Mitbewerber unberechtigt wegen einer Wettbewerbsrechtsverletzung abmahnen. Die Haftung ist auf Ersatz der Aufwendung beschränkt, die Sie selbst in Ihrer Abmahnung erstattet verlangen. Auch wenn eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung bei weitem nicht das Haftungsrisiko beispielsweise einer patentrechtlichen Abmahnung erreicht, gilt also vor Ausspruch einer Abmahnung eine erhöhte Vorsicht.
Ab Dezember 2021 dürfen Abmahnungen nur noch von Unternehmern ausgesprochen werden, die regelmäßig und in nicht unerheblichem Maß am Marktgeschehen teilnehmen. Sollten Zweifel bestehen, ob Sie diese Voraussetzungen erfüllen, sollten Sie die Konkretisierung dieser Kriterien durch die Gerichte abwarten.
Die Einschränkung des fliegenden Gerichtsstandes bringt mit sich, dass schon vor Ausspruch einer Abmahnung die Rechtsprechung des Gerichts des (Wohn)Sitzes berücksichtigt wird.
Da die Gesetzesänderung zusätzliche Voraussetzungen für eine berechtigte Abmahnung schafft und die Spruchpraxis von Landgerichten einzuschätzen ist, die bislang nicht als etablierte Gerichte im Wettbewerbsrecht gelten, dürfte sich der Bedarf an anwaltlicher Beratung vor Ausspruch einer Abmahnung erhöhen.
Die neuen Anforderungen bedeuten umgekehrt aber auch, dass eine Abmahnung, die Sie selbst von einem Mitbewerber erhalten, unberechtigt sein könnte und dass Sie Aufwendungsersatz für Ihre Rechtsanwaltskosten verlangen können.
9. Fazit
Im Dezember 2020 ist das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs in Kraft getreten.
Der Kreis der Abmahnberechtigten wird erst ab Dezember 2021 eingeschränkt. Dann darf nicht mehr jeder Mitbewerber eine Abmahnung aussprechen.
Außerdem müssen Abmahnvereine durch einen Eintrag auf einer Liste beim Bundesamt für Justiz zur Abmahnung legitimiert werden.
Der Mindestinhalt einer Abmahnung ist nun gesetzlich vorgeschrieben. Abmahnungen müssen den Namen des Abmahnenden, den Grund der Abmahnung sowie Angaben zur Abmahnberechtigung beinhalten.
Außerdem müssen geltend gemachte Aufwendungsersatzansprüche benannt werden.
Die Höhe einer Vertragsstrafe muss sich an einem gesetzlichen Kriterienkatalog messen lassen. Zu hohe Vertragsstrafen werden auf eine angemessene Höhe reduziert.
Im Bereich des Datenschutzes und gesetzlicher Informationspflichten können abmahnende Mitbewerber oft keinen Aufwendungsersatz mehr verlangen (z.B. Rechtsanwaltskosten).
Klagen wegen Verstößen gegen das UWG können zukünftig nur noch am allgemeinen Gerichtsstand erhoben werden, also beim Landgericht des Wohnsitzes bzw. Unternehmenssitzes des Beklagten.
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